Rede 8. März – Take Back The Streets

Hallo zusammen. Mein Name ist Rhonda, meine Pronomen sind sie/ihr/ihres, und ich bin eine nicht-binäre Frau. Ich habe mit einigen anderen tollen Leuten vor einigen Jahren die Gender Galaxie mitbegründet, und einige Menschen aus diesem Umfeld haben vor einem Monat den Verein Venib – steht für Verein Nicht-Binär – gegründet, um für die rechtliche Situation von Menschen einzutreten, die sich außerhalb des binären Zwei-Geschlechter-Cistems verstehen.Diese Rede ist gemeinschaftlich entstanden, daher ist sie primär im Plural geschrieben, und enthält Stellen, die sich zum Beispiel auf das Vorhanden-sein eines Uterus beziehen, den ich nicht habe.

Queer Health – also die gesundheitlichen Ansprüche queerer Menschen- ist leider vor allem in Österreich vielen Menschen, insbesondere Mediziner*innen kein allzu bekannter Begriff.Immer wieder stehen queere Menschen vor dem Problem, dass sie keine medizinische Betreuung bzw Behandlung erhalten oder über ihre Möglichkeiten aufgeklärt werden.Nicht nur das, leider begegnen queere Menschen nur zu oft queerphoben Mediziner*innen und Psychotherapeut*innen.

Lösungen, die beispielsweise heteronormativen/cisnormativen Personen ohne Vorbehalte vorgestellt werden,werden queeren Menschen verschwiegen oder sie werden gar an absolut unpassende Mediziner*innen weitergeleitet.

Als queere Person haben wir das Recht auf medizinische Behandlungen, die zur Besserung unseres Gesundheitszustandes führen.

Als queere Person sollten wir uns keine Gedanken darüber machen müssen ob uns eine medizinische Behandlung verwehrt wird oder gar Schaden zufügt, sobald das medizinische Personal erfährt, dass wir nicht cisgender sind.

Zum Beispiel bei Gynäkolog_innen: Die erste Hürde findet bereits bei der Anmeldung sowie im Warteraum statt. Misgendering als „Frau“ ertragen, oder bei gutem maskulinen Passing Blicke in Richtung „was macht der denn hier??“ ernten.

Bei der Behandlung taucht jedoch mit einer enormen Regelmäßigkeit das Thema Schwangerschaft auf. Dabei wird davon ausgegangen, dass es der Wunsch der Person auf dem Stuhl ist schwanger zu werden.

Teilt eins mit, dass eins kein Interesse daran hat, wird beschwichtigend reagiert:
„Sie sind ja noch so jung, Ihre Meinung wird sich ändern“
„Sie können ja nicht wissen ob Sie Kinder wollen oder nicht“
„(Bei Befundbesprechungen) Alles gut, einer Schwangerschaft steht nichts im Wege“

Weitere Floskeln, die wir zu hören kriegen sind:
„Die biologische Uhr tickt…“
„Was sagt Ihr Mann dazu?“ (zu einer Sterilisation. Als wären wir Eigentum von Männern…)

Unsere eigene Meinung dazu wird schlichtweg ignoriert und abgetan als ‚Unwissenheit‘.

Es findet keine ernsthafte Aufklärung statt, kein „informed consent“ wie das im us-amerikanischen Diskurs heisst. Fast so, als sei es Agenda, dass alle schwangerschaftsfähigen Personen auf jeden Fall schwanger werden müssen.

Das erkennt eins auch daran, dass es unglaublich schwer ist, eine Hysterektomie durchführen zu lassen, obwohl es gesetzlich erlaubt ist. Ärzt*innen verlangen, dass wir zumindest ein Kind gebähren, bevor eine Hysterektomie oder andere sterilisierende Verfahren durchgeführt werden.

Eins unserer Vereinsmitglieder berichtet von einer persönlichen Erfahrung bei eine*r Psychotherapeut*in:
Achtung, die Ausführungen beinhalten ausdrückliche Transfeindlichkeit.

Es ist zwar nicht mehr klar, wie auf das Thema Transgender gekommen worden ist, jedenfalls sagte sie* (und hier das wortwörtliche Zitat, das ganz klar NICHT unser Meinung spiegelt): „Wenn ein Mann vor mir sitzt, der behauptet, eine Frau zu sein, dann sitzt noch immer ein Mann vor mir. Mag sein, dass er glaubt, eine Frau zu sein, ist er aber nicht“.

Leider sind wir auf Psychotherapie angewiesen, um die eine oder die andere Operation genehmigt zu bekommen. Es gibt keine offizielle Liste von Therapeut_innen, bei denen uns solche Aussagen erspart werden. Es gibt zwar queermed.at, aber diese Seite steht noch am Anfang und basiert auf persönlichen Erfahrungen einzelner, die sich vielleicht nicht auf euch übertragen lassen.
Wir vernetzen uns so gut wie wir können und holen uns Erfahrungsberichte anderer queerer Menschen ein, aber ob eins dadurch auf die richtigen Therapeut_innen kommt ist Glückssache. Somit ist jeder Erstkontakt mit viel Nervosität und Unsicherheit verbunden.

Müssen wir uns jetzt durch transphobe/nonbinary-phobe/cisnormative Psychotherapeut*innen durchkämpfen, bis wir mal eine Person finden, die nicht gegen uns diskriminiert?

Diese Diskriminierung tritt auf durch ständige Aussagen über sogenannte „falsche Körper“, durch Fragen wie „was bist du denn?“ oder nach geplanten oder abgeschlossenen Operationen, die nicht immer das Ziel von trans Personen sein müssen. Die mentale Gesundheit wird generell viel zu sehr ignoriert, und was solche wiederholten Aussagen mit einem Menschen anrichten können, wird leider viel zu häufig nicht ernst genommen.

Für die medizinische Welt sind wir mal ein Spezialbereich oder auch mal eine Kuriosität, statt Menschen, die genau wie alle anderen ebenso Unterstützung in unserer körperlichen und mentalen Gesundheit brauchen.

Mehr sogar noch als die durchschnittliche Bevörlkerung sind wir auf Therapeut_innen, Psycholog_innen, Psychiater_innen, Allgemeinärzt_innen, Gynäkolog_innen, Hormonambulanzen, … und deren Wohlwollen uns gegenüber angewiesen.
Aber genau diese Menschen, deren Aufgabe es wäre uns zu versorgen kennen sich all zu oft kaum bis garnicht mit uns aus.

Wie kann es sein, dass für eine trans Diagnostik immer noch Fragen nach der sexuellen Orientierung gestellt werden? Das sind doch Unterschiede von mit wem ich ins Bett gehe, oder als wer ich ins Bett gehe!

Wie kann es sein, dass 16-Jährige mit Google, Tumblr, Youtube und Instagram sich ein besseres Wissen über queer health aneignen können, als die Personen, die so oft die Macht über unsere Körper haben und mit-Verantwortung über unserer Gesundheit tragen?

Gemeinsam mit allen Frauen, inter* Personen, nicht binären und trans Personen rufen wir dazu auf, unsere Körper vom patriarchalen Gesundheitssystem und vom Patriarchat allgemein, zurück zu erkämpfen. Es braucht eine queer-awareness in allen medizinischen Fachbereichen. Wir rufen euch zur Solidarität mit allen Menschen auf, die selbstbestimmt über ihren Körper verfügen wollen. 

Danke

1 thought on “Rede 8. März – Take Back The Streets

  1. Ich stimme Rhonda voll und ganz zu. Ich komme aus Deutschland wo noch das „Transsexuellengesetz“ in Kraft ist, welches ich für Unrecht halte. Einige Paragraphen hat das Bundesverfassungsgericht gekippt, doch eine Änderung des Geschlechtseintrags wird weiterhin erschwert und ist für nicht binäre und inter* Personen nicht vorgesehen.

    Ich bin selbst auch nicht binär, habe am Telefon ein Passing als Frau, im Alltag ist mein Erscheinungsbild meist androgyn oder maskulin. Inzwischen ist es möglich im Standesamt den Geschlechtseintrag zu ändern, häufig wird dafür aber ein Attest benötigt. Zuletzt musste ich ein Misgendering als „Frau“ ertragen, als ich einen Termin für eine Corona-Impfung ausgemacht hatte.

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