Stand zum Recht auf Selbstbestimmung

Auf dieser Seite dokumentieren wir den aktuellen Stand verschiedener Rechtsgebiete und wie viel Selbstbestimmung dort jeweils möglich ist (Stand 11.06.2024).

Personenstand

Der Personenstand kann noch nicht frei geändert werden. Aktuell raten wir davon ab, weitere Verfahren zu führen, da diese vermutlich ausgesetzt werden bis zu den VwGH Entscheidungen, auf die wir ebenfalls warten. Aufgrund des VfGH Urteils stehen aktuell die Einträge: w, m, inter, divers, offen, kein Eintrag zur Verfügung. Zum Eintrag nicht-binär gibt es ein positives Urteil des Landesverwaltungsgerichts Wien, dass aktuell dem VwGH zur Revision

GeschlechtsidentitätAlter GeschlechtseintragNeuer GeschlechtseintragStatus/Antrag
binary transm/ww/mPsych. Stellungnahme
inter*m/winter, divers, offen, kein EintragFachgutachten, dass intergeschlechtlichkeit bescheinigt
inter*inter, divers, offen, kein Eintraginter, divers, offen, kein EintragFormloser Antrag
non-binarym/winter, divers, offen, kein Eintragaktuell nicht möglich
non-binarym/wnon-binary, …aktuell nicht möglich

Die alternativen Geschlechtseinträge (inter, divers, offen und die Möglichkeit der Streichung) stehen nur für Personen mit Fachgutachten, dass intergeschlechtlichkeit vorliegt offen. Nicht-Binäre Personen können nur mit einem binären trans Gutachten auf das jeweils andere binäre Geschlecht wechseln. Selbstgewählte Bezeichnungen abweichend zu den vorhanden Optionen (z.b. nicht-binär) stehen ebenfalls noch nicht zur Verfügung.

Anrede

Die Gleichbehandlungskommission ist zur Erkenntnis gekommen, dass der Zwang eine weibliche oder männliche Anrede auszuwählen, eine weniger günstige Behandlung aufgrund der Geschlechtsidentität beim Zugang zur Dienstleistung darstellt (GlBG). Gemäß § 38 Abs 1 GlBG haben betroffene Personen bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Der Schadenersatz kann klagsweise beim zuständigen Gericht geltend gemacht werden. Wie ein Gericht den Sachverhalt nach dem Gleichbehandlungsgesetz beurteilen würde, bleibt abzuwarten. Aktuell haben wir eine Entscheidung zu einer negativen zusätzlichen Option (keine Anrede), aber noch kein Verfahren zu einer positiven zusätzlichen Option (z.b. Mx).

Eine falsche Anrede ist jedenfalls auch nach DSGVO zu korrigieren, wenn sie nicht zum Geschlechtseintrag im ZPR passt. Eine Entscheidung der Datenschutzbehörde zu Korrektur einer falschen Anrede ohne Änderung des Geschlechtseintrags im ZPR erwarten wir demnächst.

Auf die Anrede kann auch gänzlich verzichtet werden.

Eine falsche Anrede kann jedenfalls zu einer Belästigung führen. Ein einmal jährlich stattfindender Ticketkauf und damit verbunde falsche Anrede auf der Rechnung und im digitalen Buchungsprozess wurde vom Senat III nicht als Belästigung empfunden. Eine wiederholte falsche Anrede am Telefon wurde als Belästigung empfunden.

Belästigung ist jede Form von unerwünschtem Verhalten in Zusammenhang mit dem Geschlecht, das sich in verbaler, nicht-verbaler oder physischer Form äußert und das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird und ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person geschaffen wird. […] Auf die Motivation für eine Belästigung kommt es grundsätzlich nicht an. Es wird nur vorausgesetzt, dass ein objektiv der geschlechtlichen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wurde, welches die Würde der Person beeinträchtigt. Ein die Würde beeinträchtigendes Verhalten setzt ein gewisses Mindestmaß an Intensität voraus, wobei allerdings ein fortgesetztes Verhalten selbst bei kleineren Übergriffen dieses erreichen kann.

GBK III/317/23
Anrede RechtsgebietStatus
unpassend zur GeschlechtsidentitätGlBG– positiv entschieden (geschlechtsneutrale Anrede)
– offen (positive nicht-binäre Anrede, z.B. Mx)
unpassend zum ZPR EintragDSGVO– in Planung
unpassend zur GeschlechtsidentitätDSGVO– läuft (geschlechtsneutrale Anrede)
– offen (positive nicht-binäre Anrede, z.B. Mx)
daraus resultierende BelästigungGlBG– negativ entschieden (einmal jährlicher Ticketkauft)
– positiv entschieden (mehrmals am Telefon)
– läuft

Geschlecht

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist der Meinung, dass der Zwang eine weibliche oder männliche Geschlechtsangabe auszuwählen, eine weniger günstige Behandlung aufgrund der Geschlechtsidentität beim Zugang zur Dienstleistung darstellt (GlBG). Eine Entscheidung der Gleichbehandlungskommission erwarten wir in Kürze. Gemäß § 38 Abs 1 GlBG haben betroffene Personen bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Der Schadenersatz kann Klageweise beim zuständigen Gericht geltend gemacht werden. Wie ein Gericht den Sachverhalt nach dem Gleichbehandlungsgesetz beurteilen würde, bleibt abzuwarten.

Ein falscher Geschlechtseintrag ist jedenfalls nach DSGVO zu korrigieren, wenn er vom Personenstandsregister abweicht. Zusammenfassen (z.b. m, w und alle anderen „divers“) oder alternative Bezeichnungen vergeben (z.b. „unbekannt“, „unbestimmbar“) sind unzulässig. Wird das Geschlecht verarbeitet, müssen alle Geschlechtseinträge korrekt verarbeitet werden. Eine Verfahren der Datenschutzbehörde zu Korrektur eines falschen Geschlechts ohne Änderung des Geschlechtseintrags bereiten wir vor.

Auf die Erfassung des Geschlechts kann in den meisten Fällen verzichtet werden:

  • Ob Banken und Versicherung aufgrund der Anti-Geldwäscherichtlinie der Finanzmarktaufsicht das Geschlecht verarbeiten müssen, ist ein Verfahren, dass sich gerade in Vorbereitung befindet. Nach Auskunft der FMA scheint das jedenfalls nicht der Fall zu sein. Geschlechtseinträge werden aber „zwangsläufig“ bei der Verarbeitung von Ausweisen mitverarbeitet.

Ein Verfahren, ob Bewerber*innen ein Geschlecht angeben müssen, ist in Vorbereitung. Die Antragsgegnerin beruft sich auf die Durchführung positiver Maßnahmen (z.b. Frauenförderung). Nach Auskunft der Gleichbehandlungsanwaltschaft ist die Teilnahme an solchen Maßnahmen aber jedenfalls freiwillig, daher sollte auch die Angabe des Geschlechts optional sein.

Geschlecht RechtsgebietStatus
unpassend zur GeschlechtsidentitätGlBGläuft
unpassend zum ZPR EintragDSGVOläuft
unpassend zur GeschlechtsidentitätDSGVOin Vorbereitung
als PflichtfeldGlBGpositiv lt. Musterschreiben
als PflichtfeldDSGVOin Vorbereitung

Name

Im privaten und beruflichen Verkehr dürfen (VwSlg 13164 A/1990) (sofern nicht besondere Vorschriften ausnahmsweise anderes vorsehen, wie etwa bei Rechtsanwält*innen [§ 9 RL-BA]) auch Decknamen (Pseudonyme, Künstlernamen, Ordensnamen, Hofnamen, Vulgonamen etc.) nach freier Wahl verwendet werden, die auch zivilrechtlichen Schutz (vor unbefugten Gebrauch durch andere) genießen (§ 43 ABGB; Aicher in Rummel3, § 43 Rz 8; Faber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 43 Rz 15ff). Gegenüber Behörden allerdings gilt das nicht. Im Verkehr mit diesen ist stets der gesetzlich zukommende Vor- und Familienname zu führen (VwGH 04.04.1990, 89/01/0076; Aicher in Rummel3, § 43 Rz 8; Faber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (Klang) § 43 Rz 80)

Gutachten von Helmut Graupner im Auftrag der ÖH

Ein Verfahren zur Durchsetzung eines Wahlnamens über die DSGVO läuft bereits.

In wie weit Behörden zu denen auch Universitäten zählen gewzunden werden können, ist unklar, aber Verfahren dazu in Planung. Grundsätzlich dürfen Sie den Wahlnahmen benutzen, solange der amtliche Name bekannt ist.

NameRechtsgebietStatus
unpassend zum ZPR EintragDSGVOin Vorbereitung
unpassend zum WahlnamenDSGVOläuft

Zugang zu Räumen

  • Positive Maßnahmen (z.b. Frauenbereich) sind grundsätzlich zulässig
  • Nach Aussage der Rechtsberatung der Arbeiterkammer dürfen sich Arbeitgeber*innen nicht aussuchen und einmischen, welche Toilette Mitarbeitende verwenden.
  • Verfahren zur Klärung, ob binäre Umkleiden/Toiletten/Sauna eine Diskriminierung darstellen, sind in Vorbereitung.
  • Verfahren zur Klärung, wann eine Zuordnung zu einem geschlechterspezifischen Raum auf Basis des ZPR-Eintrags statt der Geschlechtsidentität zulässig ist, ist in planung.
ZugangRechtsgebietStatus
unpassend zum ZPR EintragGlBGin Vorbereitung
unpassend zur GeschlechtsidentitätGlBGläuft
daraus resultierende BelästigungGlBGin Planung

Kleidervorschriften / Make-up / Frisur

Es ist jedenfalls so, dass ein einheitliches Auftreten im Sinne der Marke eines Unternehmens und die Angemessenheit der Kleidung im Sinne der Seriosität nicht davon abhängen, dass jemand sich im Einklang mit Normen geschlechtsspezifischen Auftretens gibt. Eine geschlechtliche Differenzierung bei Dress Codes, die per Zwang durchgesetzt wird und deren Nichteinhaltung als Grund für eine Kündigung oder gar für eine Entlassung herhalten dürfte, ist nicht zulässig.

Gutachten von Elisabeth Holzleitner im Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft