Rede zum CSD Innsbruck 2024

Hallo liebe Menschen,

Ich bin Felix, manche kennen mich vielleicht, weil ich 10 Jahre in Innsbruck gewohnt habe.

Ich bin aber heute nicht als Einzelperson hier, sondern als ein Teil von Venib. Venib ist der Verein Nichtbinär. Wir setzen uns für die Rechte aller Menschen ein, deren Geschlecht und Identität nicht einfach so in eine der zwei vorgefertigten Boxen passen.

Da gibt es in Österreich noch verdammt viel Nachholbedarf. Ich könnte stundenlang darüber schimpfen und euch hunderte Geschichten erzählen, aber für heute hab ich zwei Themen mitgebracht, die uns besonders wichtig sind.

Ihr dürft gerne mit mir buhen, wenn euch etwas besonders aufregt, oder schnipsen und Applaus gebärden, wenn euch etwas freut.

Ich fang mit einem Thema an, mit dem ich mich gut auskenne, weil ich dazu forsche. Gesundheitsversorgung. Für eine medizinische Transition braucht ein Mensch in Österreich ja immer noch 2-3 Gutachten. Eines davon von einer*m Psychiater*in. Das bedeutet, Menschen, die dich kaum kennen, die zum Teil nicht einmal der Meinung sind, dass Nichtbinarität existiert, entscheiden darüber, was du mit deinem Körper machen darfst! – hier wär zum Beispiel buhen angebracht, weil es einfach absurd ist, dass ein Mensch von außen angeblich besser beurteilen kann, wer ich bin als ich selbst.

In Tirol und Vorarlberg war letzte Woche große Aufregung, denn es hat sich das Gerücht herumgesprochen, dass der einzige Psychiater, dem wir hier vertrauen, derzeit keine Termine vergibt. Jetzt denkt ihr vielleicht „es gibt doch voll viele Psychiater*innen?“ – ja stimmt, aber die meisten kennen sich überhaupt nicht aus mit trans Personen, nehmen aus Prinzip keine oder – und das ist das größte Problem – verhalten sich absolut unprofessionell und diskriminierend. Und wenn die eine Person wegfällt, die respektvoll ist, und anerkennt, dass es nichtbinäre Menschen überhaupt wirklich gibt, was machen wir dann?

Ich kann euch beruhigen – das Gerücht stimmt zum Glück nicht.

Oft müssen wir so tun, als würden wir in eine der Boxen passen, damit wir überhaupt als Menschen gesehen werden und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen dürfen. In Österreich können zur Zeit zum Beispiel nur inter* Personen einen anderen Geschlechtseintrag als männlich oder weiblich haben. Nichtbinäre Personen dürfen das nicht, außer sie sind auch inter*.

Mit unseren inter* Geschwistern, teilen wir übrigens einige Diskriminierungserfahrungen, aber gerade auf medizinischer Ebene erfahren sie oft noch mehr Gewalt. In Österreich ist es noch immer nicht verboten, inter* Kinder so zu operieren, dass sie in eine der beiden anerkannten Geschlechterkategorien passen. Das ist gewaltvoll und grausam!

Deswegen fordern wir von Staat und Medizin: Hört auf uns zu pathologisieren! Wir existieren! Auch, wenn ihr so tut als wärs nicht so. Kommt drüber weg und nehmt uns ernst!

Queer und aktivistisch zu sein bedeutet für mich und Venib nicht nur, uns für die Rechte von trans und nichtbinären Personen einzusetzen. Denn was hilft Anerkennung für uns, wenn unsere Geschwister weiterhin gewaltvoll behandelt werden? Das können wir doch nicht wollen?

Meine eigenen Struggles als Person mit Vulva in der Schwulen-Community aufgenommen zu werden, gehen mich genauso viel an, wie die Ausgrenzung, die eine Schwarze Lesbe in einem weiß dominierten Frauen-Treff erfährt.

Ich möchte mich liebevoll kümmern – um die schmerzvollen Erfahrungen, die ich aufgrund meiner Neurodivergenz gemacht habe, genauso wie um die Sorgen eines schwulen Vaters, einer älteren Person ohne ausreichende Rente oder eines Menschen, dessen Zuhause in einem Krieg zerstört wird.

Eine Frau, die wegen ihrer Migrationsgeschichte keinen Job bekommt, leidet unter dem gleichen gewaltvollen System, wie ein fetter Mann, dem wichtige medizinische Versorgung verwehrt wird oder eine chronisch kranke Person deren Schmerzen ständig ignoriert werden.

Am Ende gelten für uns alle die gleichen Gesetze und Normen, aber manche von uns beschützen sie besser als andere. Manche von uns werden durch sie unsichtbar, werden verletzt oder ganz direkt an einem guten Leben gehindert.

Und auch wenn ich mit Begeisterung gay as fuck bin, mir gerne glitzernde Croptops anziehe und manchmal aus purer Freude bis um 4 Uhr morgens tanze… So auf die Straße zu gehen ist für mich als nichtbinäre trans Person jeden Tag ein politisches Statement und eine potenzielle Gefahr. Ich würde heute gerne einfach nur meine Existenz feiern, aber solange ich in dem Land, in dem ich lebe, rechtlich nicht anerkannt bin, hab ich dazu gar nicht so viel Lust.

Solange meine Nichtbinarität für den Staat und für viele Menschen hauptsächlich irritierend und unerwünscht ist, muss Pride eine Demonstration bleiben.

Wie zu Zeiten der Stonewall Riots ist es immer noch wichtig, queer sein politisch zu denken. Miteinander solidarisch zu sein und Seite an Seite zu kämpfen. Es ist großartig zu sehen, wie weit wir schon gekommen sind, aber es ist noch lange nicht genug! Wir brauchen eine Welt, in der wir alle Platz haben und uns sicher fühlen – und zwar nicht am Rand der Gesellschaft oder der Stadt.

Ich fordere euch also auf: Seid solidarisch mit all jenen, die weniger Privilegien haben als ihr! Kämpft mit ihnen. Kämpft mit uns. Und wenn ihr dürft, wählt im Herbst so, dass sich das in Zukunft auch in der Politik und in Gesetzen zeigt!

Und solange andere versuchen uns dabei zu überhören – LASST UNS GEMEINSAM LAUT SEIN!

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