Allianz Versicherung wird gerichtlich untersagt Versicherungsnehmer*in zu misgendern

Unrichtige Anrede als „Herr“ oder „Frau“ stellt massive Persönlichkeitsrechtsverletzung dar

Das Bezirksgericht Favoriten hat in einem nach dem Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz (HiNBG) geführten Mandatsverfahren dem Antrag einer Versicherungsnehmer*in recht gegeben und der Allianz Versicherung per Unterlassungsauftrag vom 02.04.2024 (GZ: 39 C 273/25d) aufgetragen, „die weitere Verwendung einer geschlechtsbezogenen Anrede sowie wort- und sinngleicher Inhalte gegenüber der klagenden Partei in einem elektronischen Kommunikationsnetz weltweit zu unterlassen“.

Dem vorausgegangen war eine über ein Jahr dauernde Auseinandersetzung mit der Versicherung. Bereits im Februar 2024 ersuchte die Versicherungsnehmer*in um eine geschlechtsneutrale Anrede. Im Jänner 2025 folgte eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde (DSB), nachdem der EuGH (C-394/23) klarstellte, dass eine inklusive Höflichkeitsformel möglich, die Anrede „Herr“ bzw. „Frau“ für die Vertragserfüllung im Allgemeinen nicht notwendig und deren Erfassung daher nicht DSGVO-konform ist. Eine Entscheidung der DSB ist aber noch ausständig.

Ebenso eingebunden wurden die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Gleichbehandlungskommission (GBK). In zwei noch nicht veröffentlichten vergleichbaren Verfahren zu binären Geschlechtsanreden/-Angaben im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen wurde durch die GBK festgestellt, dass die Zuschreibung einer unzutreffenden Geschlechtsidentität einen Nachteil darstellt und daher eine Diskriminierung bzw. Belästigung aufgrund des Geschlechts vorliegt.

Da die Versicherung zuletzt Leistungen ablehnte, wurde es für die Versicherungsnehmer*in unumgänglich, die an sie gerichteten E-Mails zu lesen, auf sie zu reagieren und mit der Versicherung zu kommunizieren. Die ständige Verwendung einer unrichtigen Anrede und das beharrliche Misgendering (Misgendering bezeichnet das Adressieren einer Person auf eine Weise, die nicht ihrer Geschlechtsidentität entspricht) beeinträchtigt die psychische Gesundheit und Lebensqualität der Versicherungsnehmer*in so erheblich, dass sie sich mit der Bitte um schnelle Abhilfe an das Bezirksgericht wandte.

Bei besonders schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann das Gericht eine sofortige Beseitigung beauftragen, selbst wenn die beklagte Partei Einwendungen erhebt. Der Unterlassungsanordnung wurde diese vorläufige Vollstreckbarkeit zuerkannt, daher muss die Versicherung Misgendering ab sofort unterlassen. Das kann auch umgehend durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (wie Geldstrafen) durchgesetzt werden. Nach dem „Hass im Netz“-Gesetz gilt der Unterlassungsauftrag nur für elektronische Kommunikationsnetzwerke („im Internet“).

Einwendungen gegen den Unterlassungsauftrag kann die beklagte Partei binnen 14 Tagen erheben. In diesem Fall würde ein reguläres Verfahren eröffnet, aber aufgrund Terminsituation in der Wiener Justiz frühestens im Sommer oder Herbst verhandelt werden. Aber selbst wenn dieses negativ entschieden wird, ist die klagende Partei durch die vorläufige Vollstreckbarkeit bis zum Ende der Verhandlung geschützt. Bis dahin ist auch mit einer Entscheidung der Datenschutzbehörde zu rechnen, da diese binnen 6 Monaten entscheiden muss. Im regulären Verfahren kann der Antrag auch über das Internet hinaus erweitert werden.

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