Die jüngste Entscheidung des Senat III der Gleichbehandlungskommission zum Recht auf eine geschlechtskonforme bzw. neutrale Anrede hat viele Fragen aufgeworfen. Wir haben uns daher in einem Brief an die Bundesministerin für Gleichstellung Susanne Raab gewandt.
Neben den Genderklagen für die rechtliche Anerkennung beim Personenstand, kämpfen wir auch bei der Gleichbehandlung und beim Datenschutz für unsere Rechte. Dazu haben wir auch (endlich) eine Übersicht gebaut: https://venib.at/ag-recht/. Ein strategisches Verfahren im Bereich der Gleichbehandlung führen wir gegen die ÖBB & das Klimaticket: Bis Ende vergangenen Novembers musste mensch im Profil auswählen, ob eins ein “Herr” oder eine “Frau” ist. Wir haben berichtet:
Die Entscheidung des Senat III der Gleichbehandlungskommission ist jetzt auch endlich im RIS verfügbar und somit für alle einsehbar: GBK III/300/22. Darin heißt es: “Der Senat sieht es gemäß § 33 leg.cit gerade noch als verhältnismäßig an, dass den Antragsgegnerinnen zur Umsetzung einer geschlechtsneutralen Anrede in ihren Online-Portalen bis 30. November 2023 Zeit gegeben wird, damit diese Änderung dann für alle im öffentlichen …verkehr eingebundenen Unternehmen und Zusammenschlüsse (im Interesse einer sparsamen Haushaltsführung im Rahmen der Förderungen durch die öffentliche Hand) gleichzeitig wirksam werden kann. Das Ziel der Antragsgegnerinnen der Schaffung einer gemeinsamen gleichbehandlungskonformen Ticketplattform für den öffentlichen …verkehr in ganz Österreich scheint demnach für den Senat gerechtfertigt und die Mittel (Umsetzung bis 30. November 2023) zum Erreichen dieses Ziels angemessen und erforderlich.”
Wie wir bereits festgestellt haben, entspricht die Erkenntnis nicht dem was mensch von einem Gleichbehandlungsrecht erwarten darf. Ganz unabhängig davon, dass „Levelling Up“ eine langjährige, bisher nicht umgesetzt politische Forderung zur Stärkung der Rechte von LGBTIQA*-Personen in der Gesellschaft ist. Es ist nun aber auch im Rahmen der bestehenden Rechte so, dass wir feststellen müssen, dass Susanne Raab, ihres Zeichen “ Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt” also quasi die Chefin vom Senat III, eine anderes Lied spielt, als ihre Behörde tanzt. Das hatte nicht nur bei uns einige hochgezogene Augenbrauen zur folge.
Diese Punkte sind:
- Ein Zustand ist entweder eine Diskriminierung oder nicht. Ein Ereignis in der Zukunft (fristgerechte Behebung) kann eigentlich keinen Einfluss darauf haben, ob ein Ereignis in der Vergangenheit eine Diskriminierung war oder nicht.
- Das Antidiskriminierungsrecht geht von einer EU Richtlinie aus, deren Ziel es ist das Antidiskriminierungsrecht in Europa zu vereinheitlichen. Es gibt ein deutsches Urteil gegen die Deutsche Bahn, dass ein Ticket kauf mit binärer Anrede diskriminierend ist. Gleiche Sachverhalte in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten sollten aufgrund dieser Richtlinie eigentlich zu gleichen Ergebnissen führen.
- Die Ausnahmeregelung im Antidiskriminierungsrecht wurde geschaffen um Einrichtung zu ermöglichen, die z.B. Opfern sexueller Gewalt helfen oder an der Gleichstellung der Geschlechter arbeiten, aber nur einer bestimmten Gruppe (z.B. Frauen) zugänglich sind. Die Regelung wurde nicht geschaffen, weil ein Konzern keine Lust hat seine IT umzubauen. Und auch nicht um öffentlichen Personenverkehr nur Männern und Frauen anzubieten.
- Es gibt ein OGH Urteil, dass wirtschaftliche Gründe niemals eine Ausnahme vom Antidiskriminierungsrecht rechtfertigen.
Wir haben uns daher in einem offenen Brief an die Bundesministerin gewandt, um zu verstehen warum ihre Behörde agiert, wie sie es gerade tut. Der Brief ist unten verlinkt, hier eine Zusammenfassung der Fragen:
- Meinen gesetzliche Regelungen, deren Formulierungen „Männer und Frauen“ lautet alle Geschlechter oder nur Männer und Frauen?
- Gibt es eine 5-Sekunden Regel bei Diskriminierungen? D.h. kann eine Diskriminierung als nicht diskriminierend betrachtete werden, wenn sie schnell genug behoben wird?
- Gibt es staatliche Einrichtungen, die den Auftrag haben ihre Dienstleistung ausschließlich an Männer und Frauen (=binär geschlechtliche Menschen) anzubieten?
- Können wirtschaftliche Gründe eine Ausnahme rechtfertigen?
- Sollten gleiche Sachverhalte in unterschiedlichen EU Ländern zu gleichen Ergebnissen kommen?
Link zum Brief: https://fragdenstaat.at/anfrage/diskriminierung-beim-zugang-zu-dienstleistungen-aufgrund-des-geschlechts/
Wir halten euch auf dem Laufenden!